Zwei Fundstücke zum Tonnenabschlagen
Am 20. Februar 2021 wollte der Borner Tonnenbund gemeinsam mit Reitern, Freunden und Gästen aus der Region das 24. Fastnachtstonnenabschlagen feiern. Leider müssen wir uns alle bis zum nächsten Jahr gedulden. Doch am 19.2.2022 soll unser Schlachtruf „Gut Schluck, Gluck, Gluck“ zum 25. Jubiläum wieder ertönen.
Eine Annonce im „Barther Wochenblatt“ vom 22. Februar 1868 war für Holger Becker, Chronist des Borner Tonnenbundes, der erste schriftliche Nachweis für ein Tonnenabschlagen zur Fastnachtszeit “arangirt und ausgeführt durch Hofbesitzer und Schiffscapitaine in Wieck auf dem Darß“. Doch eine ausführliche Beschreibung des Ablaufes im Winter fehlte bislang. Der Prerower Tonnenbruder Bernd Goltings entdeckte dankenswerterweise den folgenden Artikel in der Stralsundischen Zeitung von 1877. Dort steht unter Lokales:
Barth, 15. Januar
Ein Vergnügen, einzig in seiner Art, zumal in Anbetracht der Jahreszeit, hatten sich für gestern die älteren, verheiratheten Leute in dem nahen Fuhlendorf gestiftet. Es fand dort nämlich ein sogenanntes Tonnen Abschlagen statt. Einen eigenthümlichen Anblick gewährte es, als die Theilnehmer, welche meistens Schiffer waren, zu Pferde unter der Tonne, die dem Schulzenhause gegenüber aufgehängt und zu dem Behufe schön geschmückt war, hindurchritten und mit kleinen Knitteln nach derselben schlugen. Einige, schon alte Leute hatten sich einen Wagen gemiethet, von dem aus sie gegen die Tonne schlugen, und in der That that einer derselben, der Tischlermeister Herr Schmidt, den besten Schlag, indem er den letzten Theil der Tonne herunterhieb und somit König ward. Ein eigenthümlicher Zufall ist es, daß der Schiffsbaumeister Herr Schröder wieder den zweitbesten Schlag that, und dem nach auch für dieses Jahr sogenannter Königsknecht blieb. Die ganze Festlichkeit beschloß ein Ball, der bei dem Gastwirth Herrn Schepler in seinem besonders decorirten Saal stattfand und trotz des verhältnißmäßig hohen Entrees (1 M) sehr frequentiert war.
Der Übergang der Tonnenfeste in die wärmere Jahreszeit wird in dem Artikel von 1880, der sich in der Stralsunder Zeitung fand, deutlich.
Zingst, 28. Juni 1878
Gestern gelangte hierselbst nach neunjähriger Pause das Tonnenfest zum ersten Mal
wieder zur Ausführung. Gleich nach 3 Uhr Nachmittags kam der Festzug, der freilich nur aus 10 Reitern bestand, mit seinem Musikcorps auf dem Festplatze an. Der gewöhnliche Fest Apparat: Baumzweige, Trinkbuden und Spieltische, sowie eine sonntägliche geputzte Volksmenge war zur Stelle, und der neuerdings fast zu beständig heitere Himmel hielt seinerseits die Besorgnis einer Störung fern. Die Festgenossen waren meist im Besitz guter Pferde, einige zeigten sich auch als flotte Reiter, und weniger als sonst kam es vor, daß zwischen Roß und Reiter das wünschenswerthe Einverständniß fehlte.
An dem Vergnügen pflegen nämlich nicht bloß Mitglieder des Bauernstandes , die mit Pferden umzugehen verstehen, sondern auch Fischer und Seefahrer mit Vorliebe theilzunehmen.
Für den ungeübten Reiter besteht die Schwierigkeit darin, das Pferd nicht allein in der durch Baumzweige abgesteckten Bahn zu halten, sondern dasselbe auch im Galopp zwischen den Stangen, welche die Tonne tragen, derart hindurch zuleiten, daß er der letzteren einen nachdrücklichen Hieb zu versetzen vermag.
Bei dieser Gelegenheit giebt sich nun mitunter eine bedenkliche Meinungsverschiedenheit zwischen Roß und Reiter kund. Man weiß sich jedoch zu helfen, wenn der Gaul zu hartnäckige Oppositionsgelüste zeigt. Ein Mann ergreift ihn am Zügel und zieht ihn unter der Tonne hindurch, während ein zweiter mit einem Birkenreis nachhilft. Der Reiter kann nun unbehindert der Tonne seine ganze Aufmerksamkeit zuwenden, und der Gaul begreift bald was er soll. Derartige Zwangsmaßregeln waren jedoch, wie bereits erwähnt, diesmal kaum nöthig und das Fest nahm mit wenig Unterbrechung seinen regelrechten Verlauf.
Wenn schon einmal ein Reiter abgeworfen , auch wohl einmal ein den Fortgang des Spiels mit zu großer Aufmerksamkeit verfolgender Junge übergeritten wurde, so that das der Festfreude weiter keinen Eintrag. Der Reiter, welcher in losem Sand gefallen, schüttelt den Staub von den Kleidern und besteigt unentmuthigt von Neuem sein Roß , und der Junge sieht bald ein, daß so kleine Mißhelligkeiten zur Sache gehören. Durch dergleichen Intermezzo s wird die Festfreude erhöht, und die Belustigung , der von zu Hause aus ein wenig der Charkter des Komischen anhängt erfüllt um so mehr ihren Zweck. Als der letzte Stab heruntergeschlagen und der glückliche Treffer, diesmal ein junger Seemann zum Tonnenkönig proclamirt war, hatte das eigentliche Fest sein Ende erreicht. Seinen richtigen Abschluß erhielt dasselbe jedoch erst durch einen flotten Ball, welcher die Festgenossen und deren Freunde bis zum nächsten Morgen zusammenhielt. Da das Fest allgemein angesprochen hat, so beabsichtigt man dasselbe von jetzt ab alljährlich zu wiederholen. Auf der Sundischen Wiese sowie in Wieck haben in diesem Sommer bereits ähnliche Belustigungen stattgefunden.